„Anders machen wir fast alles“
„Wer die Küche übernimmt, bekommt das Hotel!“ So hat es der Großvater einst festgelegt. Ein Satz, über den seine Enkel heute herzlich lachen. Denn: „Von der Küche aus kann ich kein Hotel leiten“, sagt Alexander. „Doch wenn das Essen nicht schmeckt, hast Du auch keine Gäste.“ Seit 1964 gibt es den Alpenhof mit seinen 118 Zimmern in Augsburg, seit fast 40 Jahren gehört er zu Ringhotels – und seit 2003 stellen die Brüder Andreas (41) und Alexander (38) Schön die dritte Generation des Familienbetriebs. Das ist gut so, denn „wenn nichts Neues nachkommt, ist das nicht gut fürs Unternehmen“, sind sie sich einig.
Andreas, gelernter Hotelkaufmann, macht alles Kaufmännische, kümmert sich um Verträge und Umbauten. Alexander ist gelernter Koch und Küchenmeister, steht aber längst nicht mehr in der Küche. Er kümmert sich hauptsächlich um die Mitarbeiter, den Service und Tagungen. Jeder hat seinen Bereich – doch wenn Not am Mann ist, macht auch jeder alles. Dank ihrer Kreativität ist aus dem Alpenhof längst das „Patchwork-Hotel“ geworden: „Zusammengestückelt über Generationen hinweg. Hier kommt zusammen, was eigentlich nicht zusammengehört und greift trotzdem ineinander“, sagt Alexander.
Patchwork-Stil mit Karussellpferden
Und Andreas ergänzt: „Unser Stil ist Patchwork – rustikal und gemütlich. 08/15 ist nicht unser Ding, Ikea auch nicht.“ Das zeigt sich in jeder Ecke. Wer im Alpenhof speist, sitzt zwischen hölzernen Karussellpferden. Wer hier tagt, nimmt Platz unter alten Meistern und auf Kirchenbänken in Bibliothek oder Fürstenzimmer. Wer hier einen Kaffee bestellt, bekommt dazu „very british“ eine silberne Etagere mit Zuckerdose, Milchkännchen und selbstgemachten Nussecken. Ob 100 Jahre alte Wasserflaschen als Vasen, Schuhleisten als Stift-, Karten- oder Schlüsselhalter – viele Ideen, die man nicht im Deko-Laden findet, gehen auf Andreas´ Konto. Seine Leidenschaft sind Antiquitäten, bei besonderen Stücken greift er gern zu, auch wenn er manchmal erst Jahre später weiß, was er daraus macht.
Sein Bruder ist amüsiert ob dieser Sammelleidenschaft: „Ich schlage oft genug die Hände überm Kopf zusammen.“ Investiert wird im Alpenhof beinahe immerzu: 2013 wurden etliche der 118 Zimmer neu gestaltet, 2014 ist der Lounge-Bereich „Feuerstelle“ entstanden, dieses Jahr werden weitere Zimmer und Bäder renoviert.
Von Augsburg in die Welt und zurück
Dass sie einmal gemeinsam das Hotel führen würden, sah nicht immer so aus. Im und mit dem Hotel groß geworden, war für Andreas die Ausbildung zum Hotelkaufmann die logische Konsequenz. Alexander hingegen wollte in jungen Jahren rein gar nichts mit dem Hotelbetrieb zu tun haben. „Erst mit dem Schulende kam die Initialzündung zur Kochlehre“, sagt er.
Es folgten Wanderjahre, die die Brüder in viele renommierte Häuser führten. Andreas etwa in den Bayerischen Hof München oder ins Hyatt Paris. Alexander stand in den Küchen des Berliner Adlon, des Wiener Palais Schwarzenberg oder der Londoner Hotels The Dorchester und St. Martins Lane. Letzteres ein Designhotel, gestaltet von Studio54-Macher Ian Schrager in Kooperation mit Stardesigner Philippe Starck. „Ein tolles Haus“, erinnert sich Alexander. Im Gourmetrestaurant Orangerie des Maritim Seehotels in Timmendorfer Strand waren die Brüder sogar gleichzeitig tätig.
„Erfahrungen machen, entdecken und Spaß haben“, sagt Andreas über diese Zeit. Mit 27 Jahren hatte er genug davon und kam zurück nach Augsburg. Erste Umbauten und neue Ideen folgten. Wie der Abschied vom Reisegruppen-Geschäft – „weil wir das Haus zu einem gehobenen Hotel entwickeln und uns auf Tagungen spezialisieren wollten.“ Heute zählt der Alpenhof allein 17 Tagungsräumlichkeiten von 13 bis 160 Quadratmetern Fläche.
Neue Generation, neuer Stil
Leicht war der Einstieg nicht. Vater Günter in der Küche, Andreas im Service: „Wir prallten oft aufeinander“, erzählt Andreas. „Irgendwann hat Vater gesagt: Einer von uns muss gehen. Da hab ich nur gesagt: Ich bleibe.“ Spätestens da war es auch für Alexander Zeit heimzukehren. Seine Pläne für Amerika und Neuseeland ließ er fallen.
Seit die Brüder das Ruder übernommen haben, hat sich viel verändert im Alpenhof. „Anders machen wir eigentlich fast alles“, sagen sie. Die familiären Führungsstrukturen wurden aufgebrochen und Abteilungsleiterposten geschaffen. Es gibt einen Tag der Offenen Tür, und am Tag des Kaffees wird auch mal ein Kaffee-Menü kredenzt. Ideen gibt es zudem für ein Sommerfest in der Nachbarschaft und für ein „kleines Bücherl“ mit Anekdoten und Bildern über den Antiquitätenfundus des Hauses.
Was eint, was unterscheidet sie? Konventionell sind beide nicht, nach außen eher bunte Erscheinungen. Der eine mit farbigen Sneakern und legerem Tuchschal, der andere im 20er-Jahre-Look mit Schiebermütze und Weste. Andreas, der Denker und Handwerker, probiert gern neue Dinge aus, bastelt und dekoriert. Er begeistert sich für Oper und Ballett und wohnt im Hotel. Alexander, der Praktiker und Technikspezialist, reist gern – von der Karibik bis nach Südafrika. Er ist lieber mit dem Rucksack unterwegs als im Hotel, taucht und mag Fußball. Nach dem Feierabend braucht er Abstand und wohnt deshalb in der Stadt. Trotz ihrer Unterschiede funktioniert es gut. „Wenn mal Zoff ist, ist am nächsten Tag wieder alles erledigt“, sagt Andreas, für den es auch wichtig ist, als Chef mitzuhelfen und dennoch Grenzen zu setzen. Alexander bestätigt: „Unsere 80 Mitarbeiter sollen sich wohlfühlen, das Klima muss stimmen.“
Und was bringt die Zukunft? Noch besteht der Alpenhof aus drei Gebäuden – bald sind es vier. Die Brüder haben die angrenzenden Bayerstuben gekauft, 2016 ist der Umbau geplant. Dann kommen noch einmal 65 Zimmer zum Alpenhof hinzu. Ohne sie wird es auch künftig nicht gehen: Mutter Marlene schmeißt nach wie vor den Empfang. „Die Stammgäste wollen sie sehen“, sagen die Brüder. „Sie ist die gute Seele des Hauses.“
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